Auf dem guten Lößboden im oberen Neckartal liegen die 4 Hektar (1 Hektar sind 100m x 100m) großen Felder und Gewächshäuser des Familienbetriebs Sohn, über die wir mit Anwohnern aus Esslingen und Stuttgart laufen, während Herr Sohn Jahrzehnte altes Gärtnerwissen und die Jahrzehnte alte Geschichte seiner Familie mit uns teilt. Bald sind es 100 Jahre in denen der Boden erneut den AnwohnerInnen für ihre Ernte zur Verfügung steht. Davor reservierte es sich einer der hohen Herren für sein Privatvergnügen am Pferderennen. Dafür wurden die Flächen einst den Bauern entrissen.

Heute bewirtschaftet die Familie Sohn in dritter Generation das flache Land in der Talaue. In diesen Jahren findet die gemeinsam gestaltete Übergabe und Übernahme an einen der Söhne statt. Die Familie beschäftigt noch drei Angestellte in Teil- und Vollzeit. Stück für Stück erfahren wir welche Aufgaben die beiden Älteren immer noch im Betrieb übernehmen und wir beginnen zu ahnen, dass es keinen Sinn hätte das in Arbeitsstunden zu rechnen: Ein Marktstand in Esslingen Mittwochs und Samstags, einen in Oberesslingen am Donnerstag, Mittwochs noch nach Altbach und der Hofladen in Mettingen am Freitag und Samstag. Dazwischen die Petersilienbündchen schnüren und die Bohnenernte bewältigen. „Bohnenpflücken ist ein Mordsgeschäft, das machen meine Frau und ich“, berichtet Herr Sohn. Genauso die Kohlröschen – „der bessere Rosenkohl“ – aufwändig aber mit einem guten Kilopreis. „Ich persönlich…das ist mein Leben der Wochenmarkt. Die Kommunikation, Schwätzle halten, was Neues erfahren, zwischendrin was verdienen – muss ja“ erzählt er. Während er das sagt, sieht er aus wie der junge Mann, der vor vielen Jahrzehnten zum ersten Mal zum Markt fährt und der heute immer noch ein ehrliches Interesse an den Begegnungen hat. Auch uns gegenüber und unserer Anfrage, die Äcker besichtigen zu wollen wird diese ehrliche Neugierde deutlich.

„Früher“, sagt Herr Sohn und meint damit die Generation seiner Eltern, „hat man nur das verkauft was gewachsen ist“. Heute ist die Kundschaft anspruchsvoller und das Sortiment muss stimmen. Er lächelt – von A bis Z bauen sie ja schon alles an und soweit möglich auch zu allen Jahreszeiten. Was fehlt oder was zuviel ist, verkaufen oder kaufen Sie am Großmarkt – zweimal die Woche. So wie an diesem Montagabend jemand auf dem Acker zwischen seinen Pflanzen steht, der weiß wovon er redet, steht derselbe an den anderen Tagen am Marktstand und Frau Sohn derweil im Hofladen. Da stehen welche, die aus eigener Erfahrung berichten können, wenn sie nach ihrem Gemüse, der Erntezeit oder den Wetterbedingungen gefragt werden.

Wir erkundigen uns wie sich die Verkaufspreise und Kosten entwickelt haben? Wie teuer müssen Lebensmittel sein, damit die Arbeit auf mehr Schultern verteilt werden kann und alle gut davon leben können? Kann man dafür überhaupt genug bezahlen? Wir wissen, dass unsere eigene Kirschernte mit der Erntekooperative unbezahlbar wäre, wenn wir sie nicht sowieso verschenken würden. Wir fragen den Gärtner wie viele seiner Kunden und Stammkunden bereit wären das Risiko mitzutragen? Bei der Weinlese helfen viele unentgeltlich mit, erzählt er uns. Würden die Kunden auch das Risiko seines Betriebes bei den Missernten und den Ausfällen oder Diebstahl mittragen? „Das kann man von den Leuten nicht verlangen!“ sagt er bestimmt. Daraufhin bieten wir genau das direkt an und verabreden uns, dass die Kleine Wildnis zu Bohnen- oder Kohlröschen-Ernte wiederkommt!

Wir fragen ihn danach was sich verändert hat? „Der Sportplatz nebenan war Gemüsefläche“, skizziert er vor uns die Landschaft. „Wo ich noch Bub war gab es nicht mal die B10. Die B10 weiß ich noch gut ,wo die gebaut worden ist das waren alles Äcker. Auch die Flächen bis zur Pliensaubrücke – das waren alles Äcker“. Es ist schon stark eingeschränkt worden. Unser Gebiet ist jetzt geschützt – zum Glück – wir brauchen ja auch noch Luft zum Atmen“. Das kennen wir aus Hedelfingen. Auch dort waren früher Felder der Anwohner, wo heute eine Autobahn durch die Stadt läuft. Genauso unter dem Hafen, der in den 1960er Jahren über die Äcker Hedelfingens gebaut wurde – samt vierspuriger Verbindungsstraße zwischen dem Hafen und dem Flughafen durch Hedelfingen – weswegen der Dürrbach unter die Erde in einen Kanal gesperrt wurde.
„Die Betriebe sind drastisch weniger geworden. Vor 30 bis 40 Jahren waren es noch 50 Betriebe jetzt sind es noch 10 und es werden immer weniger.“ In der gleichen Zeit ist der Import von Lebensmittel nach Stuttgart genauso drastisch gestiegen…mit all dem CO2 Verbrauch, dem Wasserverbrauch und den schlechten Arbeitsbedingungen im Ausland, die damit verbunden sind. Am Rückgang des Lebensmittelanbaus in der Region hängt noch wesentlich mehr: noch mehr Menschen verlieren einen Bezug zu den Böden und der Natur, die Ernährung bietet nicht mehr die lokalen Mikrobiome – was Auswirkung auf die Gesundheit hat – und es fällt weg, „was die Landwirtschaft nebenher alles leistet für den Landschaftsschutz“, resümiert Herr Sohn. Vor 30 Jahren hatte er öfters Führungen durch die Gärten der Gärtnergemeinschaft in der Talaue gemacht. Heute sind wir nach langer Zeit wieder die Ersten, die kommen. Und wie geht es in Zukunft weiter? „Ich habe schon ein bisschen Sorgen“, meint er, „ich habe nie an die Klimakrise gedacht und geglaubt auch in den 70ern schon hatten wir Trockenheit auf den Äckern was mir jetzt Sorgen macht sind die vielen Jahre Trockenheit hintereinander. Der Grundwasserspiegel ist schon ganz niedrig“.

Uns ist deutlich geworden, dass so wie wir heute in der Region aufgestellt sind, wir nicht gut auf die Klimakatastrophe vorbereitet sind. Es fehlt uns an einem Ernährungssystem, das die Auswirkungen der Klimakatastrophe puffert und vorbeugt, und es fehlt an einem Verhältnis der Anwohner zu unserer Natur das uns den Wert unserer Böden, Luft und Gewässer und der Arbeit mit dem Land und für unsere Ernährung ausreichend wertschätzen lässt. Wenn wir zur Bohnen- oder Kohlernte wiederkommen, werden wir in der Nachbarschaft zu dieser Gelegenheit einladen, uns damit in dieser Wertschätzung zu üben. Wir bedanken uns bei der Familie Sohn sehr herzlich an diesem Abend für die Eindrücke, die uns Herr Sohn gegeben hat und brechen mit einem Gefühl der Verbundenheit zum Land und seine Verbündeten das kurze Stück zurück nach Hause auf.
Den Bericht haben wir selbst verfasst.
Organisiert von der Kleinen Wildnis:

Im Rahmen des Modellprojekts Essbare Region in Hedelfingen:

In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Essbare Region:

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